Untertanen – Teil 2

David Dürr - Basler Zeitung 21.06.2013


Typisches Untertanenverhalten besteht nicht einfach darin, dass sich ein Untertan einem Obertan unterwirft, sondern vor allem dass er verlangt, auch alle anderen müssten sich dem gleichen Obertan unterwerfen. Untertanen des Staates begnügen sich also nicht damit, ihm unterworfen zu sein, sondern fordern, dass der Staat auch über jene herrsche, die ihn gar nicht wollen. Und weil sich eine solch anmassende Haltung natürlich nicht begründen lässt, verweigern sich typische Untertanen der Diskussion.

So kürzlich auch wieder im Zusammenhang mit meinen staatskritischen Kolumnen: Als ich auf Umwegen erfuhr, dass sich ein mir persönlich bekannter Staatsrechtsgelehrter über meine Staatskritik empörte, ohne auch nur ein einziges Argument dazu vorzutragen, und ich ihm anbot, eine inhaltliche Diskussion zu führen, erhielt ich folgende schriftliche Antwort: „Ich stehe für Diskussionen eigentlich immer zur Verfügung. Wenn sich aber zwischen mir und einem anderen Meinungsträger Welten auftun, wenn ich keinerlei gemeinsame Basis für einen Dialog erkennen kann, dann sehe ich auch den Sinn für eine Diskussion nicht ein. Ich bin nicht bereit, die Geschichte bis hinter Thomas Hobbes zurückzudrehen und am Ast des Rechtsstaates zu sägen. Sorry, aber that’s it!“ Schade, kann ich da nur sagen. Dann führe ich die Diskussion halt hier in der BAZ.

Nehmen wir zunächst Thomas Hobbes (den Rechtsstaat verschiebe ich aus Platzgründen auf die nächste Kolumne). Thomas Hobbes, dessen Staatstheorie mein Gesprächs(verweigerungs)partners nicht in Frage stellen will, lebte im England des 17. Jahrhundert, war glühender Monarchist und ist der Nachwelt vor allem durch sein berühmtes Buch „Leviathan“ bekannt geblieben. Mit diesem hatte er es unternommen, die Monarchie mit einer damals neuen Theorie zu rechtfertigen. Die Legitimation des Königs durch den lieben Gott mochte niemand mehr so recht glauben, also versuchte es Hobbes so: Zur Vermeidung von Streit, Gewalt oder gar Bürgerkrieg sei es nötig, dass sämtliche Mitglieder der Gesellschaft ihr Recht auf Durchsetzung der eigenen Interessen abgeben und einer einzigen zentralen Stelle übergeben. Und wer wohl war diese Stelle? Sie dürfen raten! Die durchsichtige Theorie lief natürlich einzig darauf hinaus, dass der König dann noch der einzige war, dem es erlaubt war, seine Interessen durchzusetzen, bei Bedarf auch gerne mit Gewalt. Wohlklingend verpackt wurde das Ganze mit der Fiktion, es bestehe zwischen den Untertanen und dem König ein Vertrag, so wie wenn sich alle Leute freiwillig mit dem König darauf geeinigt hätten, ihm ihre Macht abzugeben.

Nun kann man aus heutiger Sicht, 350 Jahre später, sagen, das sei vor langer Zeit so gewesen, die Monarchie sei inzwischen ja überwunden. – Ist sie aber nicht. Die Hobbes’sche Rechtfertigung angemasster zentralistischer Vormacht, also im Sinn des Wortes von Mono-Archie, ist nach wie vor Mainstream. Noch heute erzählen uns die Nachfahren von Hobbes aus unverändert durchsichtigen Gründen, es gebe so etwas wie einen Vertrag zwischen der gesamten Landesbevölkerung und dem Staat, wonach alle Macht auf Letzteren zu übertragen sei.

Ich weiss ja nicht, wie es Ihnen geht. Aber ich mag mich nicht daran erinnern, bei einer solchen Vertragsunterzeichnung dabei gewesen zu sein. „Sorry, aber that’s it“. 

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