Energie- und andere Wenden

David Dürr - Basler Zeitung 25.09.2015


Jetzt wenden sie wieder in Bundesbern. Wenden scheint eine Lieblingsbeschäftigung der weisen Männer und Frauen dort oben zu sein. Im Moment ist es gerade die Energie, die gewendet werden soll. Worin die Wende genau besteht, ist zwar ziemlich unklar, aber auch gar nicht so wichtig. Hauptsache es wird gewendet. Oder genauer noch: Hauptsache, es sind diese wichtigen Stände-, National- und Bundesräte, die das energetische Schicksal von uns allen aus fast schon hoffnungsloser Lage doch noch zum Guten wenden. Wie dankbar dürfen wir doch diesen uns so mutig rettenden Wenderinnen und Wendern sein!

Peinlich bloss, dass die abzuwendenden Probleme von genau diesen Wendern verursacht worden sind und dass sie, wenn sie nun erneut wenden, alles nur noch schlimmer machen. Das ist im Energiebereich so, und auch in vielen anderen Bereichen, in denen diese obrigkeitlichen Wender am Werk sind.

Bleiben wir bei der Energie: Unerwünschte ökonomische, ökologische oder sicherheitsbezogene Probleme verdanken wir der seit jeher intensiven Einmischung des Staates. Ein dichtes Netz obrigkeitlicher Regulierungen schaltet effiziente Korrekturen des Marktes systematisch aus. Etwa der schnelle Einzug der Atomenergie um 1970 herum gleich mit mehreren Kraftwerken in der engen und dichtbesiedelten Schweiz kam nur zustande, weil die staatliche Politik – bürgerliche, sozialdemokratische, umweltschützende – dies pushte. Eine Wende sollte es sein, von schmutziger Kohle zu sauberer Kernenergie. Da wurden Investitionen gefördert, Nachbarwiderstände unterdrückt und Abnahmezusicherungen gegeben, wie dies in einer freien Wirtschaft nie möglich gewesen wäre. Und jetzt ist die gleiche staatliche Politik – bürgerliche, sozialdemokratische, umweltschützende – wieder am Wenden, von gefährlicher Kernenergie zu sanfter Wind- und Sonnenenergie.

Beispiel Altersvorsorge: Die desaströsen Aussichten der Altersvorsorge verdanken wir der staatlich aufgezwungenen Wende von freiwilliger Selbstverantwortung des Individuums, der Familie, von Kirchen und vielen anderer Vorsorgeorganisationen hin zum Zwangskorsett eines staatlichen Umlageverfahrens. Das musste in die Sackgasse führen, die heute sogar Sozialdemokraten nicht mehr bestreiten. Also läutet jetzt der zuständige SP-Bundesrat mit ernster Miene eine Wende in der AHV ein. Gerade letzte Woche haben sich die weisen Wender im Ständerat über das Dossier gebeugt.

Beispiel Geldpolitik: Die schädlichen Verwerfungen im Bereich der internationalen Wechselkurse verdanken wir dem staatlich aufgezwungenen Geldmonopol. Würde man Geld als Tauschmittel wie Gold, Bitcoins, Zigaretten oder andere geeignete Gegenstände dem freien gegenseitigen Wettbewerb überlassen, gäbe es keine Nationalbank, die immer wieder von freien zu fixen und wieder zurück von fixen zu freien Wechselkursen wenden müsste.

Beispiel Gesundheitswesen: Die ständig steigenden Prämien der Krankenkassen verdanken wir der seinerzeitigen staatlich aufgezwungenen Wende von der freiwilligen zur obligatorischen Versicherung mit subventionierten Leistungspflichten. Kein Wunder hat seither noch jeder neue Gesundheitsminister sein Amt mit der Ankündigung einer dramatischen Wende angetreten.

Warum nicht einmal eine Wende, die den Namen verdient? Eine Wende weg von diesen lachhaften Wendern in Bern.


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