Das staatliche Wahrheitsmonopol



David Dürr – eigentümlich frei / April 2023




Die heilige Inquisition der EU fängt gerade erst an





Weniger bekannt, aber ebenso gefährlich wie das staatliche Gewaltmonopol ist das staatliche Wahrheitsmonopol. Nicht zufällig treiben sie beide in diesen verworfenen Zeiten üppige Blüten: Das Gewaltmonopol mit unverhältnismässigen Polizeiübergriffen, wo immer es staatliche Polizeikräfte gibt, sei es in Deutschland, der Schweiz, den USA, Russland, Iran oder anderswo; das staatliche Wahrheitsmonopol mit bemerkenswerten Neuauflagen des berüchtigten «Index der verbotenen Bücher» der katholischen Kirche. 

Der «index librorum prohibitorum» oder auch «index romanus» wurde in der Inquisitionszeit der römisch-katholischen Kirche im 16. Jahrhundert eingeführt, in der Folge laufend aktualisiert und erst im Jahr 1966 offiziell aufgehoben. Die Kirche hatte schliesslich eingesehen, dass sich Wahrheit nicht obrigkeitlich durchsetzen lässt, nicht einmal die von ihr vertretene göttliche und absolute Wahrheit; ja diese wohl am allerwenigsten. Wirklich wahre Wahrheit sollte ja ihre eigene Kraft haben.

Diese in langen und nicht nur rühmlichen Jahrhunderten gereifte Weisheit der Kirche geht dem heutigen Staat ganz offensichtlich ab. Er hat zwar in manchem die Stellung übernommen, die ehemals die Kirche hatte, nicht zuletzt das Monopol der offiziellen Vertretung des Jenseits im Diesseits. Bloss dass das staatliche Jenseits nun nicht mehr im geglaubten Jenseits, sondern im staatsgläubigen Diesseits festgemacht wird. Hatte die Kirche sich zumindest bemüht, auf eine irgendwie göttliche Absolutheit abzustellen, so genügt sich der heutige Staat mit seiner eigenen Absolutheit selbst. Und gleich wie es jenem (inzwischen abgeschafften) kirchlichen Index darum ging, Zweifel am Gottesglauben zu verhindern, so will nun der aktuelle staatliche Index Staats-Zweifel unterbinden.

Covid war und ist natürlich ein besonders ergiebiges Thema, um Wahrheit gegen Unwahrheit auszuspielen und vor allem in Erinnerung zu rufen, wer der offizielle Hüter der reinen und absoluten Wahrheit ist. Das trieb in den letzten Jahren bemerkenswerte Blüten in Form entsprechender Hinweise auf offiziellen Regierungs-Websites, wo nicht nur die «wahren» Studien, Berichte, Statistiken gezeigt, sondern auch die «unwahren» Publikationen an den Pranger gestellt wurden. In letzter Zeit scheint dies in Deutschland immerhin etwas abzuklingen.

Nicht so auf Ebne der EU, wo zurzeit ein geradezu strategischer Wahrheitsfeldzug unter dem Titel «Bekämpfung von Desinformation» geführt wird. Der eindringliche Aufruf beginnt mit einer Video-Predigt der obersten Wahrheitshüterin von der Leyen – auf Englisch; das wird von so wenigen verstanden wie im kirchlichen Mittelalter Lateinisch, aber es tönt offiziell und bedarf dann noch der linientreuen Umsetzung durch die sprachkundige Priesterschaft. Die höchste Priesterin ist ernsthaft besorgt über Unwahrheiten, die sich so rasch und so gefährlich verbreiten wie das Virus selbst. Sie nennt es wortspielerisch «Infodemic» und warnt vor gravierenden Gesundheitsschäden als Folge solcher Unwahrheiten. Und worüber sie speziell empört sei: Vielen dieser Häretiker gehe es doch schlicht darum, mit ihren Theorien Geld zu machen.

Selbstverständlich – das ist stillschweigend mitgedacht – sei dies bei den Verwaltern der offiziellen Wahrheit völlig anders.


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