Showdown in Kalabrien



David Dürr – eigentümlich frei /  Januar-Februar 2024




In Kalabrien, ganz unten am italienischen Stiefel, kam es kürzlich zu einem spektakulären Showdown zwischen den zwei einflussreichsten Gangs. Schon lange sind sie miteinander verfeindet; immer wieder gab es Streit, Schlägereien, Attentate, ja ganze Schlachten zwischen ihnen, doch jetzt ist es eskaliert wie schon lange nicht mehr. 

Das lag vor allem an der einen der beiden Gangs, die zwanghaft darauf aus ist, in ganz Kalabrien das unangefochtene Beherrschungs- und vor allem auch Gewaltmonopol zu besitzen. Dafür ist ihr jedes noch so grobe Mittel recht. Auch hat sie keine Hemmung, ihre waffenbewehrte Macht mit allem Pomp zur Schau zu stellen; indem sie ihre Kämpfer, uniformiert herausgeputzt, mit Pistolen im sichtbaren Holster herumstolzieren lässt. 

Die andere Gang ist diskreter. Zwar weiss auch sie, für ihre Interessen zu kämpfen und sich notfalls überhaupt nicht zimperlich zu wehren, bei Bedarf auch durchaus mit Waffengewalt. Doch insgesamt agiert sie eher defensiv, will nicht so sehr dominieren als lieber profitable Geschäfte machen; die Leute sollen weniger ihre Untertanen als vielmehr gute Kunden sein. Der Name dieser Gang ist so ungreifbar wie sie selbst, wahrscheinlich kommt er aus dem Griechischen und heisst so etwas wie „die tapferen Männer“ – „‘Ndrangheta“.

Die andere, die monopolbesessene Gang heisst demgegenüber ziemlich plump und grossmäulig „Staat“, also Zustand der ganzen Gesellschaft, sozusagen die Verkörperung des ganzen Volkes. Und es ist nicht zufällig dieser „Staat“, der gegen seine Konkurrentin ´Ndrangheta schon vor Jahren einen geradezu strategischen Feldzug begonnen und diesen nun triumphal gewonnen hat. Dabei ging es ihm nicht einfach darum, die lästige Konkurrenz in die Schranken zu weisen, sondern auch und fast noch mehr, mit einer spektakulären Show der Öffentlichkeit vorzuführen, dass der „Staat“ die gute und dass `Ndrangheta die böse Gang sei; ja mehr noch, dass der „Staat“ gar keine Gang, sondern eben der gute und gerechte „Staat“ des ganzen Volkes sei.

Für diese Show hat er keinen Aufwand gescheut (oder genauer: besonders tief in seine Schutzgeld-Schatulle gegriffen), hat eine gigantische Showbühne gebaut, mit einem riesigen Käfig, in dem hunderte von bösen `Ndrangheta-Verbrechern zur Schau gestellt wurden. Diese Verbrecher hatte er in Koordination mit ähnlich grossmäuligen „Staaten“ in anderen Ländern eingefangen. Eine „Staats-Anwaltschaft“ übernahm die Rolle, diese Gefangenen in aller Öffentlichkeit anzuklagen. Um gleichwohl noch Reste des gegenseitigen Konflikts anzudeuten, wurden den Angeklagten anwaltliche Verteidiger beigegeben, die der „Staats-Anwaltschaft“ dann tapfer widersprechen mussten. Das konnte dann natürlich nicht verhindern, dass ein genderkorrekt rein weiblich besetztes, vom Staat bezahltes Gericht die Angeklagten zu langen Freiheitsstrafen verurteilte. Dem triumphalen Presserelease, von dem weltweit berichtet wurde, war zu entnehmen, man habe zusammengezählt mehr als 2‘000 Jahre Haft verordnet.

An der hohen Kulissenwand hinter den drei Richterinnen, für alle Zuschauer gut sichtbar, stand in riesigen Lettern geschrieben: „Das Gesetz ist für alle gleich“. Ein Denkzettel an all die mächtigen `Ndrangheta-Paten, die meinen, sie stehen über dem Gesetz. Über dem Gesetz steht nur einer, der „Staat“, denn schliesslich muss ja jemand Gerechtigkeit in diese schlechte Welt hinunterbringen!

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