Rechtswidrige Justiz

David Dürr - eigentümlich frei 02.04.2015



Sämtliche Gerichte Deutschlands sind rechtswidrig bestellt und können deshalb keine wirksamen Urteile fällen. Das hat vor kurzem, am 15. Januar 2015, das Oberlandesgericht (OLG) München festgestellt.

Zwar sprach es dieses vernichtende Verdikt nicht über sich selbst – so selbstkritisch war es denn doch nicht – sondern über ein anderes Gericht aus. Doch lassen sich die Ausführungen des OLG ohne weiteres auch auf dieses selbst und auf alle anderen Gerichte in Deutschland anwenden.

Der Fall Claudia Pechstein

Es geht um den Fall der deutschen Eisschnellläuferin  Claudia Pechstein, mehrfache Olympiasiegerin, Welt- und EM-Meisterin sowie Weltrekordhalterin in verschiedenen Teildisziplinen. Der Internationale Eislaufverband (International Skating Union, ISU) hatte ihr im Jahr 2009 Dopingvorwürfe gemacht und sie mit einer Wettkampfsperre belegt. Claudia Pechstein bestritt die Vorwürfe energisch und tat das, was man bei einem solchen Konflikt in der zivilisierten Welt tut: Sie wandte sich an eine neutrale Instanz, welche den Fall möglichst unbefangen beurteilen sollte, mit anderen Worten an ein Gericht.

Der Haken an diesem Gericht war nun aber, dass es gerade nicht neutral und unbefangen war, sondern im Sold des ISU stand, also der Gegnerin von Frau Pechstein. Es war nämlich das Sportsschiedsgericht in Lausanne/Schweiz, dem viele Sportsverbände angeschlossen sind, unter anderem auch der ISU. Die Schiedsrichter werden von den jeweiligen Streitparteien ernannt, doch sind sie aus einer Liste auszuwählen, die weitgehend von den Verbänden zusammengestellt wird. Und so war es auch im Fall Pechstein. Kein Wunder also, dass dieses Gericht dem Standpunkt des ISU Recht gab und die Klage der Sportlerin abwies. Man darf getrost von einem Skandal sprechen.

Skandal aber nicht, weil die Sportlerin Recht gehabt hätte (vielleicht hat sie ja in der Tat gedopt), sondern weil der Fall von einem befangenen, ja man könnte sagen gekauften Gericht beurteilt wurde. Die allerwichtigste Fundamentalregel einer jeden Verfahrensordnung, nämlich die Unbefangenheit des Richters, wurde ignoriert. Und eben dies war dann das Argument, mit dem sich Frau Pechstein in der Folge an das OLG München wandte, um wenigstens dort ein korrektes Verfahren zu bekommen. Und zurecht hat dieses – wie eingangs erwähnt – das Urteil des Verbandsschiedsgericht für rechtswidrig erklärt. Es befand, der Unbefangenheitsgrundsatz sei derart fundamental, dass schon „die blosse Möglichkeit und der Verdacht einer Manipulation der Richterbesetzung“ das Gericht diskreditiere.

 

Skandalöse Staatsjustiz

Doch nun – ist nicht genau dies auch die Übungsanlage einer jeden staatlichen Gerichtsbarkeit, wenn es um einen Konflikt mit dem Staat geht? Da werden doch die Richter von niemand anderem als von einer der beiden Streitparteien bezahlt. Und dies noch viel stärker als bei den Verbandsschiedsrichtern, welche diese Funktion in der Regel nebenamtlich ausüben. Und während man beim Schiedsgericht in Lausanne die Richter wenigstens noch aus einer Liste auswählen kann, gönnt einem das staatliche Gericht nicht einmal diese kleine Restfreiheit. 

Um dies zu vertuschen, hat sich die staatliche Justiz eine Ausrede ausgedacht, die zwar unglaublich skurril, aber trotzdem sehr erfolgreich ist: Die Ausrede der sogenannten „Gewaltenteilung“. Da wird doch allen Ernstes behauptet, die Richter seien trotz Ernennung und Bezahlung durch den Staat völlig unabhängig, weil sie nämlich von anderen Abteilungen des Staats organisatorisch getrennt seien. Das sind doch die Schiedsrichter des Sportsgerichts genauso. Sie sitzen in einem eigenen schmucken Schlossgebäude, haben eine eigene Betriebsorganisation und bekommen von keinem Verbandsfunktionär direkte Weisungen. Solch administrative Banalitäten nun aber hochtrabend „Gewaltentrennung „ zu nennen und damit die ganze institutionelle Grundbefangenheit wegdiskutieren zu wollen, verdiente bestenfalls amüsiertes Kopfschütteln.

Nun fragen Sie sich vielleicht, weshalb Frau Pechstein überhaupt auf die Idee kam, sich an dieses gekaufte Sportsschiedsgericht zu wenden. Es geschah dies deshalb, weil sie sich unterschriftlich auf eben dieses Gericht verpflichtet hatte. Und zwar noch bei wolkenlosem Himmel, das heisst zu Beginn ihrer Karriere, als sie noch als junges Nachwuchstalent in die Wettkampfwelt des ISU einstieg. Da hatte sie gar keine andere Wahl, denn die wirklich ganz grossen Meisterschaften, vor allem die Weltmeisterschaften, werden von niemandem anderen als dem ISU angeboten. Anderen Organisationen wäre dies zwar nicht verboten. Doch faktisch hat der ISU ein ausgesprochen starkes Monopol. Oder wie es das OLG München treffend ausdrückte: Der ISU ist „auf dem Markt des Angebots von Weltmeisterschaften im Eisschnelllaufsport … wegen des Ein-Platz-Prinzips der einzige Anbieter und daher mangels Wettbewerber als Monopolist im Sinne des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen marktbeherrschend“ (sorry für den juristischen Bandwurm).

 

Staatlicher Monopolmissbrauch

Solchen Monopolisten verbietet nun § 19 Absatz 2 Ziffer 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, ihre Macht zu missbrauchen und ihren Kunden Geschäftsbedingungen aufzunötigen, „die von denen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden“. Hierunter fallen auch Vertragsklauseln, mit denen man sich im Konfliktfall einem Gericht unterwirft, dass vom betreffenden Monopolisten selbst bestellt und personell dotiert wird. 

Doch nun wiederum – ist nicht auch dies die Übungsanlage des Staates, und zwar noch ausgeprägter als beim Sportverband? Denn der Staat hat in seinen typischen Zuständigkeitsbereichen nicht nur sehr starke faktische, sondern sogar juristisch offizialisierte Monopole, etwa bei der Sicherheit, der Gesetzgebung oder in weiten Bereichen der sozialen Vorsorge, der Bildung, der Infrastruktur etc. Das ist so etwas wie die ultimative Institutionalisierung des verpönten „Ein-Platz-Prinzips“. Sie ist derart marktbeherrschend, dass fast niemand überhaupt noch weiss, dass auch all diese staatstypischen Funktionen den Naturgesetzen des Marktes zugänglich wären.

Und was nun insbesondere die vom Staat aufgenötigten Geschäftsbedingungen anbelangt, so sticht darunter eine als besonders stossend heraus, nämlich dass man sich für alle Konflikte mit dem Staat dem staatlichen Gericht zu unterwerfen habe. Und schlimmer noch als beim monopolistischen Sportsverband gilt die vom Staat aufgenötigte Gerichtsbarkeit selbst dann, wenn man diese Geschäftsbedingungen gar nicht unterschrieben hat. Der Sportsverband versucht wenigstens noch, seine Mitglieder bei ihrer Unterschrift zu behaften, die sie in einer schwachen Stunde abgegeben haben. Der Staat bequemt sich nicht einmal dazu; für ihn genügt der rein fingierte „contrat social“. 

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